MR. LEATHER BERLIN: Miroto Markov

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Bitte stelle uns zu Beginn deinen Mister-Titel vor – warum ist dieser wichtig für die Community? Welche besondere Botschaft und Aufgabe soll ein Mister mit deinem Titel in die Welt hinausschicken? Und was fasziniert Dich an deinem Fetisch? Wie bist Du selbst dazu gekommen?

Kurz nachdem ich zurück nach Berlin gezogen bin, habe ich viele Veränderungen in der Schwulen- und Fetischszene bemerkt. Ich sah eine Menge Fetisch-Shaming und eine große Trennung und Ignoranz zwischen den verschiedenen Fetisch-Gruppen. Das war vor einigen Jahren noch nicht der Fall, als ich hier in der Stadt studierte. Ich habe mich für den Mr. Leather Berlin Wettbewerb beworben, weil ich meinen Teil dazu beitragen wollte, die Dinge zu ändern. Ich bin ein stolzer Fetisch-Mann, der sich nicht in eine Schublade stecken lässt, in der es nur Leder-Mann, Gummi oder Puppy, Master sowie Sklave gibt. Ich bin all das und stolz darauf. Viele Leute da draußen fühlen sich unsicher und isoliert in ihrem Fetisch. Ich hoffe, dass ich ihnen ein gutes Beispiel dafür sein kann, dass man einfach auch man selbst sein kann. Ich möchte ihnen zeigen, dass die Fetischszene für jeden da ist, egal welche Vorlieben man hat. Solange man auch nur so etwas einfaches wie Lederhandschuhe trägt, ist man Teil der Lederszene. Sei stolz darauf und lass dir von niemandem sagen, dass du nicht dazugehörst! Außerhalb von Berlin repräsentiere ich genau diese Vielfalt an Fetisch, die Berlin bis heute zur Fetischhauptstadt Europas macht. Ich bin überall unterwegs, um diese Botschaft zu verbreiten und hoffe, dass ich Menschen helfen kann, mehr Mut zu haben, sich zu outen und ihren eigenen Fetisch zu leben und in der Community akzeptiert zu werden.

Noch immer steht gerade auch der Fetisch in der Kritik, sowohl innerhalb wie aber auch außerhalb der Community. Immer wieder wurden auch in den letzten Jahren Stimmen laut, gewisse Fetische würden nicht in das Bild der Community passen oder würden der Community gerade bei politischen Forderungen eher schaden als nützen. Wie blickst Du auf diese Kritik?

Die Leute kritisieren nicht den Fetisch, sie kritisieren das Unbekannte. Deshalb ist es so wichtig, sich und seine Fetische zu präsentieren. Die Leute sollen sich daran gewöhnen, Männer in Gummi-, Leder-, oder Army-Kleidung zu sehen. Ich selbst habe bisher noch nichts von Kritikern gehört, wenn es um Fetisch geht. Fetisch ist etwas sehr persönliches, und es könnte so einfach sein wie die Vorliebe für blonde Jungs oder für ältere Kerle.

Es gibt inzwischen immer mehr Mister-Wettbewerbe und viele Mister-Vertreter für die jeweiligen Fetische oder Regionen. Mancherorts entsteht der Eindruck, es gibt zu viele Mister oder Titel werden beliebig vergeben, ohne tieferen Sinn dahinter. Wie siehst Du das? Brauchst es so viele unterschiedliche Mister-Träger? Und falls ja, warum?

Ich finde es richtig, dass eine lokale Community oder eine Stadt das Recht haben sollte, außerhalb ihres Gebiets vertreten zu werden. Das Problem, das ich sehe, ist, dass viele Bars diese Wettbewerbe in anderen Ländern nur für Eigenwerbung benutzen und ihre Misters dann nicht wirklich die Community repräsentieren, sondern nur den Namen der Bar oder des Clubs. In einigen südlichen Ländern wie Spanien und Italien sehe ich, dass es so auch eine Menge Reibereien zwischen den verschiedenen Clubs gibt. Das ist traurig, da wir für die Einheit der Community kämpfen.

Der Träger eines Mister-Titels soll seine Community, seine Szene, nach außen vertreten, beispielsweise bei Events in der Community. Besteht für Dich auch die Chance, dass Titelträger als eine Art von Brückenbauer auch die gesamte Gesellschaft insgesamt erreichen und vielleicht so auch mehr Verständnis außerhalb der Community erreichen können?

Das ist der Grundgedanke dahinter; leider sind sich viele Leute nicht bewusst darüber, dass es harte Arbeit ist. Es belastet deine Arbeit, deine Familie und Beziehung sowie auch deine Freizeit… und vor allem auch deinen Geldbeutel. Es ist nicht billig zu reisen, ganz zu schweigen von den Kosten für einige der Fetischwaren wie Leder und Gummi.

Die Fallzahlen bei der Hasskriminalität gegenüber der Gay-Community steigen in vielen Ländern weltweit wieder an, die Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft sinkt erstmals wieder (Ipsos Studie 2023), dabei wird auch die Kritik immer lauter, die Community zeige sich „übersexualisiert“ und befeuere damit sozusagen Hass und Gewalt gegenüber Homosexuellen. Geht eine „Gefahr“ von unserer Sexualität, unseren unterschiedlichen Fetischen aus? Wie siehst Du das?

Die Lösung für alles ist Bildung und Repräsentation. Die Menschen haben Angst vor Dingen, die sie nicht kennen, die ihnen nicht vertraut sind. Deshalb marschieren wir auf den Paraden, wir versuchen, sichtbar zu sein, um der Gesellschaft zu zeigen, dass wir da sind und ein Teil von ihr sind, und dass wir nicht verschwinden werden.

Lass uns bitte einmal kritisch auf die Fetisch-Community blicken: Wo siehst Du intern Probleme? Welche Aspekte müssten dringend verbessert werden? Wo läuft etwas falsch und wie lässt sich das ändern?

Es gibt eine endlose Liste von Dingen, die in der Fetischszene falsch laufen. Die Leute werden ausgelacht, weil sie sie selbst sind. Wenn ein Master seinen Arsch zeigt, wird er schikaniert, weil er dann kein Master mehr sei. Wenn ein Top-Typ Lust dazu hat, einmal der Bottom zu sein, zeigen die Leute auf ihn und lachen ihn aus.  Die BLUF-Gruppe isoliert sich und stößt alle anderen Leute von sich, wenn man zum Beispiel farbiges Leder trägt. Wir sind inzwischen so weit gekommen, dass die Kerle zwar in der gleichen Bar sind, aber in verschiedenen Ecken herumstehen; da sind die Puppys in der einen Ecke, die Rubber-Kerle in der anderen und die Ledertypen in einer dritten – und die BLUF-Mitglieder sitzen an einem eigenen Tisch. Das war noch nicht so, als ich in Berlin aufgewachsen bin. Die Leute waren alle zusammen, egal ob Army, Gummi, Leder, Masken, was auch immer. Die Leute redeten noch miteinander, frei von Ignoranz und ohne sich gegenseitig zu schikanieren. Es ist wirklich traurig zu sehen, wie schwierig es heute für einen Neuankömmling ist, seinen Platz in dieser Welt zu finden. Was mich betrifft, so stehe ich auf all diese Fetische und ich gehe in Gummi zwischen den Ledertypen aus, egal, ob ihnen das gefällt oder eben nicht. Ich versuche, die Leute zu ermutigen, einfach sie selbst zu sein. Ich möchte, dass die Leute mich sehen und erkennen, dass sie das auch tun können. Sei du selbst und lebe deinen Fetisch!

Seit rund zwei Jahren gibt es auch vermehrt Streit in der Community, teilweise kommt es zu Spaltungsprozessen zwischen LGB und TQ+, gerade weil Schwule und Fetisch-Freunde großen Wert auf das biologische Geschlecht als Grundlage für ihre Sexualität und ihren Fetisch legen, TQ+ aber im Grunde die „Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit“ anstrebt. Wie erlebst Du diesen Streit und was sagst Du dazu?

Fetisch ist Fetisch. Es hört nicht mit dem Geschlecht auf oder mit irgendwas anderem. Berlin ist stolz darauf, Orte zu haben, an denen sich alle Arten von Sexualität und Geschlechtern ohne Vorurteile ausleben und zusammen feiern können. Das mag nicht überall anders der Fall sein, aber das ist es, was wir überall erreichen sollten.

Die Fetisch-Welt entwickelt sich immer weiter, jedes Jahr kommen neue Fetische hinzu. Wo siehst Du die gesamte Fetisch-Community in den nächsten zehn Jahren? Welche Entwicklungen würdest Du dir wünschen?

Ich wünsche mir, dass die Fetisch-Community wieder mehr zusammenwächst. Es gibt einige sehr offene und rasante Fetische wie das Puppy-Play, das viele junge Menschen anzieht, weil sie sich dort sicher fühlen. Ich wünschte, das könnte für alle Fetische gelten.

Miroto, vielen Dank Dir für das Gespräch! (ms)

Redaktionhttps://him-magazine.de
Wir verstehen uns als ein ehrliches, sexpositives Magazin, das nicht fremdbestimmt Themen vorgibt, sondern mit der Community zusammen Themen anspricht.

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