EIN KERL WIE EIN HENGST! Der neue Film “HORSEPLAY” von Marco Berger

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Woher kommt sie nur, unsere Vorliebe für vermeintlich heterosexuelle Kerle? Liegt es an der scheinbaren Unerreichbarkeit, dem Spiel mit dem Verbotenen oder keimt in uns drinnen doch manchmal der Gedanke auf, dass auch Heteros mit ihren Schwänzen einfach nur Spaß haben wollen, unabhängig vom anderweitig beteiligten Geschlecht? Seit Jahrzehnten ranken sich Mythen darum und werden immer wieder gerne gefüttert von den lüsternen Erzählungen umgedrehter Ex-Heteros und jener Kerle, die zu Hause trautes Heim samt Ehefrau spielen, während sie in dunklen Ecken gerne vor einem Mann mit steifem Schwanz auf die Knie fallen.

Sexuelle Spannung von der ersten Minute an

Regisseur und Drehbuchautor Marco Berger hat sich diesen Grundfragen nun angenommen und daraus einen flirrenden, spannenden Film über eine Gruppe von Freunden gemacht, die im Hochsommer ein paar Tage in einer Villa in Argentinien verbringen. Schnell verschwimmen die Grenzen zwischen Homo- und Heterosexualität und immer wieder können wir die Kerle dabei beobachten, wie sie lustvoll rote Linie übertreten und mit den Gefahren spielen, die sich hinter der einen Frage verbergen: Was wäre, wenn? Zwischen Nichtstun, Alkoholrausch und lustvollen Spielen zum Zeitvertreib ist die permanente sexuelle Spannung jederzeit spürbar und überträgt sich bereits nach den ersten Spielminuten auch auf uns Zuschauer.

Wir sitzen mit am Pool, spüren die heiße Sonne auf unserer nackten Haut, kühlen uns im Wasser ab, genießen mit ein paar Bier das Nichtstun und albern herum, nicht selten, ohne dabei doch einen lüsternen Hintergedanken zu haben und die Blicke scheinbar ziellos über Muskeln und enge Badehosen samt dicken Beulen streifen zu lassen. Ja, was wäre eigentlich , wenn? Und so beginnen die Jungs kurz darauf, erste Videos von sich zu machen, nackt und in diversen sexuellen Situationen, spielerisch, denn es ist ja alles nur ein großer Spaß, eine Albernheit unter der glühend heißen Sonne Argentiniens, oder? Oder vielleicht doch nicht so ganz?

Und während die einen sich immer weiter vorwagen, ziehen sich die anderen immer mehr zurück, die immer offensichtlichere homoerotische Anordnung bringt bei einigen auch Abwehr, Homophobie und ja, sogar Gewalt zum Vorschein. Als sich schlussendlich zwei Kerle aus der Gruppe tatsächlich körperlich näherkommen und die Trennlinie zwischen Heteronormativität und Homosexualität endgültig mit einem lauten Knall reißt, droht die Stimmung in der Villa nach und nach ins Gefährliche zu kippen.

Die Badehose als Zirkuszelt voller flirrender Spannung

Marco Berger beweist in seinem achten Langfilm, warum er völlig zurecht Teddy-Preisträger ist, einmal mehr ist er ein Meister darin, zwischen dem Sagbaren und dem Nicht-Sagbaren tänzelnd wie ein Akrobat auf dem Hochseil herumzuspringen, während wir ganz wie in der Zirkusmanege von der Seitenlinie zuschauen und vor Spannung immer wieder zusammenzucken. Berger spielt mit all den Facetten der sexuellen Dynamiken, die entstehen können, wenn junge Männer in einem abgegrenzten Raum fernab gesellschaftlicher Normen und befreit vom wachsamen Blick der Öffentlichkeit zusammenkommen und frei experimentieren können. Als zwischenseitlich einige Frauen zu Besuch in der Villa sind, wirkt dies dann alsbald wie das verbotene Eindringen ins Paradies der Männlichkeit. Dabei liebt Berger ganz offenbar das Spiel mit der Homoerotik, immer wieder wandert die Kamera wie ein heimlicher Voyeur mit großer Sinnlichkeit über die athletischen Körper, geht immer wieder auch gerne ganz nah ran, sodass wir Beine, Arme, Haare und Gesichter ganz intim erhaschen.  Natürlich kommt der sogenannte berühmt gewordene „Berger Shot“ ebenso erneut vor, ein besonderes Close-Up, geschossen vom Schritt eines sportlichen jungen Mannes aus.

Berger, der hier erneut Regie führte und das Drehbuch schrieb, lädt uns auch dazu ein, über selbsterdachte und fremdbestimmte Normen, Sexualität und Freiheit in unseren eigenen Köpfen nachzudenken. In Deutschland ist der Argentinier den meisten schwulen Zuschauern erstmals mit seinem zweiten Langfilm „Ausente“ aufgefallen, mit dem er sofort bei der Berlinale 2011 den Teddy-Award gewann. Sein vierter Spielfilm „Mariposa“ wurde in San Sebastian als Bester Lateinamerikanischer Film ausgezeichnet. Nun also „Horseplay“ – wir erwarten erneut diverse Preise!

Doch, woher der Film seinen Namen bezieht? Das verrät einer der vermeintlich heterosexuellen Protagonisten im Film selbst, ein Monolog, gerichtet an den schwulen Lover, der durchaus das Potenzial hat, in die Geschichte des Gay Cinema einzugehen, weil er all die Zerrissenheit im Spannungsfeld männlicher Lust auf den Punkt bringt: „Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem Mädchen und einem Kerl, würde das Mädchen gewinnen. Auch wenn es mir nicht so gut gefällt. Wenn wir zusammen wandern gehen, und du spitz bist, wird es immer passieren. Wenn wir in die Berge gehen, können wir rumficken und alles ist gut. Aber wenn ein Mädchen auftaucht, bist du im Arsch, Kumpel. Das ist meine Neigung. Das ist, was ich wirklich mag. Deshalb bin ich nicht einmal bisexuell. Nicht wegen der Bezeichnung, die ist mir scheißegal. Ich denke, ich bin ein Hengst. Ich ficke gern und mag es, wenn man mir den Schwanz lutscht. Ich sag´s dir, weil du mich fragtest. Wenn du schwul bist, umso besser. Muss jeder selbst wissen. Und du weißt es. Wenn ich schwul wäre, würde ich es sagen. Du weißt, dass ich dich liebe. Deshalb will ich keine falschen Erwartungen wecken.“ Eines ist dabei sicher – Marco Berger selbst weckt keine falschen Erwartungen bei seinen Zuschauern und beschenkt sie einmal mehr mit spannendem schwulen Kino vom Feinsten. (jh)

HORSEPLAY

101 Minuten, spanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln

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