SCHWULE LIEBE IN POLEN: Ein Liebesfilm, genau zur richtigen Zeit

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In Polen feiern Schwule seit Beginn des neuen Jahres die Zeitenwende und können sich erstmals nach acht zähen, furchtbaren Jahren unter der homophoben PiS-Regierung wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen. Nachdem Mitte Oktober die bisherige Regierung bei den Parlamentswahlen keine Mehrheit mehr hinter sich versammeln konnte, hatten die Anhänger der PiS trotzdem versucht, mit allen Mitteln die neue liberal-konservative Regierung des ehemaligen EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk zu verhindern oder zumindest möglichst lange hinauszuzögern. Geholfen hat alles nichts, Ende letzten Jahres wurde Tusk zum neuen Ministerpräsident gewählt. Nun stehen die Chancen gut, dass es noch in diesem Jahr möglicherweise ein neues Lebenspartnerschaftsgesetz für Homosexuelle geben wird. Die neue Gleichstellungsministerin Katarzyna Kotula hat ebenso bereits angekündigt, dass sie die Einführung von Gesetzen zur Anerkennung von homosexuellen Paaren zu einer Priorität machen wird. Es scheint sogar, dass man daran arbeiten will, das Recht auf Abtreibung gesetzlich zu verankern. Polen geht endlich mit kraftvollen Schritten voran und die berechtigten Hoffnungen sind groß, dass auch die „LGBT-freien Zonen“ bald der Vergangenheit angehören.

Der Wandel in Polen

Doch die Regierung ist das eine, wie aber tickt die Gesellschaft insgesamt? Auch hier gibt es freudige Nachrichten, denn erstmals zeigte sich in der jüngsten Umfrage (Quelle Globsec), dass sich inzwischen eine knappe Mehrheit von 54 Prozent der Polen für eine „Ehe für alle“ aussprechen. Für das tiefgläubige, erzkatholische Polen eine Sensation – noch vor drei Jahren lagen die Zustimmungswerte bei 46 Prozent. In diesen gesellschaftlichen Wandel platzt nun ein neuer schwuler Liebesfilm aus Polen hinein, den wir schlicht einfach lieben müssen. Angekündigt als die polnische Antwort auf „Brokeback Mountain“ und „Gods Own Country“ hält der Film tatsächlich das, was er verspricht – und im Gegensatz zur Schäferballade aus den USA werden wir bei „Elefant“ wesentlich hoffungsvoller und glücklicher am Ende aus dem Film wieder entlassen. Soviel sei vorweg verraten. Dieser Film kommt genau zur richtigen Zeit, nicht nur für Polen, sondern auch für uns, denn er macht uns Hoffnung und beschenkt uns an diesen kalt-grauen Tagen mit Zuversicht und Freude.

Um was geht es?

Der 22-jährige Bartek führt einen kleinen Bauernhof in den polnischen Bergen. Seit sich sein Vater aus dem Staub Richtung Amerika gemacht hat, ist er gezwungenermaßen das Familienoberhaupt und muss für seine kränkliche Mutter da sein, die einen starken Hang zum Alkoholismus hat. Frei fühlt er sich nur, wenn er Zeit mit seinen geliebten Pferden verbringen kann – dann reitet er über die Felder, immer weiter, immer schneller und ein Lachen huscht über sein schlankes Gesicht. Er träumt davon, ein Gestüt aufzubauen, während seine Mutter eindringlich vor den Träumereien warnt, denn die Zeiten sind schlecht und bald müssten wohl die Pferde verkauft werden. Immer wieder versucht sie, ihren Jungen emotional zu erpressen und ihn an sich zu binden, ihn zu halten, hier im Nirgendwo Polens. Mit Argwohn blickt sie so auch unwissend auf Bartek, als dieser nach seinem ersten Sex mit einem schwulen Mann am nächsten Morgen beim Ausmisten des Pferdestalls mit einem Strahlen im Gesicht zu Musik aus den Kopfhörern tanzt.

Wer dieser Mann ist? Sein Name ist Dawid, der lange verschollene Nachbarsjunge, der nach dem Tod des Vaters zurück ins Dorf kommt, allerdings nur, um das Grundstück schnellstmöglich zu verkaufen. Er selbst floh vor fünfzehn Jahren vor der konservativen Doppelmoral und den homophoben Sprüchen des ländlichen Polens. Und während er heute selbstbewusst zur Tat schreitet, wirbelt er so scheinbar ganz nebenbei auch das geordnete Leben von Bartek und sein von Pflichterfüllung geprägten Alltag ordentlich durcheinander. Als dann noch seine schwangere Schwester wieder vor der Tür steht, verlassen von ihrem Freund in Norwegen, stellt sich für den jungen schwulen Mann die Frage, wie er sein Leben künftig gestalten will – entscheidet er sich für ein Leben für die Familie oder wagt er das große Abenteuer und ist bereit, dem jungen Dawid in die Stadt zu folgen? Und wie steht es eigentlich um seine Gefühle? Ist es bereits Liebe, was die beiden jungen Männer da miteinander teilen?

Die erste große Liebe

„Elefant“ erzählt uns von der ersten großen Liebe und der Selbstwerdung eines jungen schwulen Mannes, eingerahmt in eine raue und atemberaubend schöne polnische Landschaft, gedreht an Originalschauplätzen am Fuße des Tatra-Gebirges. Man kann es kaum glauben, dass es sich hierbei um ein Spielfilmdebüt eines jungen Regisseurs handelt – sein Name: Kamil Krawczycki. Der junge Kreative, Jahrgang 1990, lässt dabei offensichtlich auch Autobiografisches in sein Werk einfließen: „In meinem Film kehre ich in meine Heimatstadt im Süden Polens zurück. Es ist eine Region mit einer atemberaubenden Natur, aber für Schwule und Lesben ist es ziemlich schwer, dort zu leben. Der Film erzählt die Geschichte von einem jungen Mann, der zum Oberhaupt der Familie wird, nachdem sein Vater abgehauen ist und die Mutter eine Art Zusammenbruch hatte. Die Verpflichtungen innerhalb der Familie engen seine Freiheit ein, sein eigentliches Begehren muss er verbergen. Ich wollte eine Figur zeichnen, die verletzlich und stark zugleich ist. Ich weiß, dass sich viele queere Menschen in Polen damit identifizieren können. Mit dieser Geschichte möchte ich Ihnen meinen Tribut zollen – und ihnen ein wenig Hoffnung geben, denn Hoffnung können wir in Polen gerade sehr gut gebrauchen können.“

Das ist Krawczycki grandios gelungen und so lässt er uns sehr einfühlsam auch an den sehr intimen Sexszenen der beiden jungen Männer teilhaben – augenblicklich verlieben wir uns in sie. Und leben all die Hochs und Tiefs mit, beispielsweise, als die homophobe Dorfjugend das schwule Paar immer wieder verbal attackiert. Doch trotz so manchen ernsten Szenen behält der Film seine Hoffnung stets bei sich und mündet in ein wunderbares Finale, das uns strahlen lässt. Dazu beschenkt er uns mit ganz besonderen Szenen, die uns zu Tränen rühren, beispielsweise, wenn Bartek sich gegenüber der freundlichen Nachbarin gewissermaßen outet. Sie drückt ihm schließlich eine kleine Elefantenfigur in die Hand und erklärt ihm, er könne alles sein, auch ein Elefant, und sie hätte kein Problem damit. Ohne es direkt auszusprechen, ist beiden dabei klar, um was es wirklich geht, denn die Homosexualität des jungen Polen steht unübersehbar wie ein Elefant im Raum. Eine herzerwärmende Szene, die lange nachhallt.

Eine Liebe, die sich echt anfühlt

Zudem gelingt es Krawczycki, der auch das Drehbuch schrieb und zuvor gerade einmal zwei Kurzfilme und einige Musikvideos gedreht hat, fernab von Klischees und Stereotypen ein realistisches Bild zweier frisch verliebter junger Männer sowie auch der polnischen Gesellschaft aufzuzeigen. Einmal ist es der schmächtige und zumeist ehe stille Bartek, der Dawid neckt und herausfordert, dann wieder öffnet sich der Heimkehrer und beweist, welche tief romantischen Gefühle er hegt, wenn er am Klavier sitzend davon singt, mit seinem Liebsten die Nacht durchtanzen zu wollen. Und wer prügelt sich schlussendlich mit dem homophoben Nachbarskerl? Der eher kräftige Dawid ist es nicht…

Wir dürfen miterleben, wie die beiden jungen Männer von einer gemeinsamen, freien Zukunft träumen, zusammen in einen schwulen Club gehen und den Mut im jeweils anderen erwecken, dass eine Liebe zwischen zwei schwulen Männern tatsächlich auch in Polen bestand haben darf. Regisseur Krawczycki beweist dabei auch ein feines Händchen bei der Besetzung, denn Bartek alias Jan Hrynkiewicz sowie Dawid alias Pawel Tomaszewski dürften als Traumpaar in die polnische Filmwelt Einzug halten. Und gerade Dawid-Darsteller Tomaszewski erinnert uns mehrfach an die erotische, freche Mimik des jungen deutschen Schauspielers Max Riemelt, der uns spätestens seit „Freier Fall“ (ebenso erhältlich bei Salzgeber) und seiner Rolle als schwuler Polizist nicht mehr aus dem Kopf geht. Am Ende grinsen wir über beide Ohren und wollen an die Liebe glauben, die alle Hindernisse überwindet – und wir blicken in das strahlende Gesicht von Bartek und wissen: Zwei Elefanten können die Welt verändern (jh)

 

Die HIM REDAKTION verlost zwei DVDs von „Elefant“. Einfach E-Mail an redaktion@queeremedien.de – das Los entscheidet.

 

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