MR. FETISH HESSEN

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Shkody / Pup Dino

Bitte stelle uns zu Beginn deinen Mister-Titel vor – warum ist dieser wichtig für die Community? Welche besondere Botschaft und Aufgabe soll ein Mister mit deinem Titel in die Welt hinausschicken? Und was fasziniert Dich an deinem Fetisch? Wie bist Du selbst dazu gekommen?

Ich bin der Shkody, der aktuelle und der erste Mr Fetish Hessen. Dieser Titel und die Wahl dazu, wird vom Frankfurter Leder Club e.V. organisiert. Ich vertrete somit die hessische Fetisch-Community, jedoch bin ich in gewissem Maße auch ein Vertreter der queeren Community. Für mich gilt hier immer der Leitsatz: Ich vertrete die, die sich von mir vertreten lassen wollen. Ein Titel, wie meiner, ist für unsere Szene eine Möglichkeit, uns ein Gesicht nach außen zu geben. Jeder Titelträger legt seine Aufgaben und Prioritäten anders aus und setzt auch zum Teil andere Botschaften um. Im Allgemeinen kann man sagen, dass wir das Gesicht der Menschen sind, die sich zu Fetisch und Kink hingezogen fühlen, wir sind die erste Anlaufstelle für Personen, die sich dafür interessieren, und wir sind die Menschen, die anderen zeigen, dass es komplett in Ordnung ist, was wir hier machen. Wenn es um meine Botschaft geht, möchte ich zeigen, dass Fetisch auch jung, Plus Size und migrantisch sein kann.

Bilder @ Overline TV

Noch immer steht gerade auch der Fetisch in der Kritik, sowohl innerhalb wie aber auch außerhalb der Community. Immer wieder wurden auch in den letzten Jahren Stimmen laut, gewisse Fetische würden nicht in das Bild der Community passen oder würden der Community gerade bei politischen Forderungen eher schaden als nützen. Wie blickst Du auf diese Kritik?

Diese Kritik löst in mir sehr viel aus. Ich bin enttäuscht, traurig und wütend, dass die queere Community uns immer öfter ausschließen möchte. Jedoch darf man nicht vergessen, wir waren, zusammen mit den Drag Queens & Drag Kings und der BIPoC Community, die andere große Gruppe, die sich bei den Riots auf der Christopher Street in New York beteiligt hat und für queere Rechte mitgekämpft hat. Fetisch und Kink gehörten von Anfang an dazu und das tun sie auch heute noch! Besonders das Puppy-Play steht immer wieder in der Kritik: es wird von Bürgermeistern in Eschborn versucht, uns zu verbieten, es wird auf CSDs in Recklinghausen verboten, mit unseren Masken mit zu demonstrieren, und es wird von Verschwörungstheoretikern die Annahme verbreitet, dass wir pädophil wären. Alle diese Punkte sind einfach nur falsch! Die Pet-Play Community gehört zur Fetisch-Community und somit auch zu uns und wir stehen hinter ihnen. Politische Forderungen nehmen durch uns keinen Schaden. Sie werden durch uns noch glaubwürdiger, da durch uns ein großer Teil der Community mit abgedeckt wird. Ich kann dazu nur sagen: Kink belongs to Pride!

Es gibt inzwischen immer mehr Mister-Wettbewerbe und viele Mister-Vertreter für die jeweiligen Fetische oder Regionen. Mancherorts entsteht der Eindruck, es gibt zu viele Mister oder Titel werden beliebig vergeben, ohne tieferen Sinn dahinter. Wie siehst Du das? Brauchst es so viele unterschiedliche Mister-Träger? Und falls ja, warum?

Diese Einschätzung ist nicht ganz richtig. Es gibt im deutschsprachigen Raum etwas mehr als zehn Titelträger der Fetisch-Szene und das ist auch gut so. Der „Oberste“ von uns, der Mr. Fetish Germany, könnte gar nicht alle CSDs, Events und Bereiche abdecken, wenn er ganz alleine wäre. Ich sehe es als sehr große Bereicherung, dass es mehrere Schärpen-Träger in Deutschland gibt. Wir unterstützen uns gegenseitig, tauschen uns aus und sind füreinander da, wenn jemand mal Hilfe oder Rat braucht. Es ist eine eigene kleine Familie, die wir haben. Hinter jedem Titel steht ein Sinn und dieser ist zum Teil unterschiedlich, zum Teil auch gleich zu anderen Titeln. Beispielsweise gibt es regionale Unterschiede, da es unterschiedliche Anliegen gibt. In Hessen gibt es zum Beispiel im Rhein-Main-Gebiet eine recht große Community, in meiner Heimat in Nordhessen jedoch kaum. Weshalb es halt mehrere Mister braucht, um möglichst viel Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu bewirken.

Der Träger eines Mister-Titels soll seine Community, seine Szene, nach außen vertreten, beispielsweise bei Events in der Community. Besteht für Dich auch die Chance, dass Titelträger als eine Art von Brückenbauer auch die gesamte Gesellschaft insgesamt erreichen und vielleicht so auch mehr Verständnis außerhalb der Community erreichen können?

Es kommt immer darauf an, wie ein Titelträger sein Amtsjahr gestaltet. In meinem Fall kann ich sagen, dass ich es schaffen möchte, mehr Sichtbarkeit gegenüber der Politik zu erzeugen. Ich war selbst seit meinem 13. Lebensjahr ehrenamtlich und parteipolitisch lange aktiv und habe durch diese Zeit viele Erfahrungen sammeln und viele Kontakte ebenfalls knüpfen können. Diese möchte ich nun verwenden, um unsere Anliegen in das Gewissen der Gesellschaft zu rufen. Hierbei ist es wichtig, auf Events zu gehen, die der Community helfen könnten, um den Einblick zu uns zu ermöglichen.

Die Fallzahlen bei der Hasskriminalität gegenüber der Gay-Community steigen in vielen Ländern weltweit wieder an, die Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft sinkt erstmals wieder (Ipsos Studie 2023), dabei wird auch die Kritik immer lauter, die Community zeige sich „übersexualisiert“ und befeuere damit sozusagen Hass und Gewalt gegenüber Homosexuellen. Geht eine „Gefahr“ von unserer Sexualität, unseren unterschiedlichen Fetischen aus? Wie siehst Du das?

Die Christopher Street Days sind und waren schon immer ein Protest für die sexuelle Freiheit der queeren Community. Sie sind eine indirekte Symbolik für Sex, Geschlecht und Individualität. Es ist jedoch keine Einladung dafür, in der Öffentlichkeit sexuelle Praktiken auszuführen. Das möchte die LGBTQ+ Community nicht und genauso wenig möchte das die Fetisch-Szene. Die Stimmen, die uns „Übersexualisierung“ vorwerfen, kommen fast ausschließlich von der rechten Seite. Dieser Rechtsruck in vielen Staaten, wie Italien, Spanien und auch bei uns in Deutschland, macht mir Angst. Daher ist es jetzt umso wichtiger, sich nicht zu verstecken und diesen Personen klarzumachen, dass wir uns nicht unterdrücken lassen. Meine Wurzeln liegen auch in Ländern, in denen die queere Bewegung sich noch am Anfang befindet. Aus diesem Grund müssen wir uns solidarisch mit den Communitys in diesen Ländern zeigen.

Lass uns bitte einmal kritisch auf die Fetisch-Community blicken: Wo siehst Du intern Probleme? Welche Aspekte müssten dringend verbessert werden? Wo läuft etwas falsch und wie lässt sich das ändern?

Bilder @ Overline TV

Ich bin das, was man in der Fetisch-Community noch viel zu selten sieht: Ich bin sehr jung, ich bin Plus Size und ich bin migrantisch. Besonders durch meinen Hintergrund als eine Person mit albanisch-muslimischem Ursprung, habe ich leider bei uns relativ viel Rassismus erleben müssen. Ich kann und möchte dieses Verhalten nicht akzeptieren und bin auch sehr schnell darin, diese Ereignisse offen zu benennen. Ich kann jedoch verstehen, dass viele kaum bis gar keinen Kontakt in dieser Art hatten. Eine Person, die offen muslimisch und homosexuell ist, trifft man nicht oft. Ich bin ein Exot unter Exoten und dies oft auf weiter Strecke. Doch gleichzeitig möchte ich besonders die BIPoC Community ermutigen, auch in diese Räume zu gehen und sich offen zu zeigen. Wenn es darum geht, verschiedene Lebensrealitäten wahrzunehmen, tut sich die Szene auch noch sehr schwer. Fetisch ist eine teure Leidenschaft, die sich nicht jeder auf Anhieb leisten kann. Ich bin Student, beziehe BAföG und habe einen Nebenjob. Das alles mit dem Titel unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach und dies wird leider oft missachtet. Da wünsche ich mir mehr Toleranz zwischen den verschiedenen alltäglichen Leben der Mitglieder in unserer Community. Darunter fällt auch der gegenseitige Respekt zwischen den Generationen. Die Probleme von damals sind nicht dieselben Punkte, für die wir heute kämpfen müssen. Und umgekehrt ist Demut gegenüber der Generation, welche die AIDS-Krise erlebt hat, eine wichtige Tugend.

Seit rund zwei Jahren gibt es auch vermehrt Streit in der Community, teilweise kommt es zu Spaltungsprozessen zwischen LGB und TQ+, gerade weil Schwule und Fetisch-Freunde großen Wert auf das biologische Geschlecht als Grundlage für ihre Sexualität und ihren Fetisch legen, TQ+ aber im Grunde die „Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit“ anstrebt. Wie erlebst Du diesen Streit und was sagst Du dazu?

Die deutschsprachigen Leder- und Fetisch-Clubs sind geschichtlich aus den Biker- und Motorrad-Vereinen entstanden. Diese haben Safe Spaces für Männer geboten, die Sex mit Männern haben. Diese „Tradition“, dass die Clubs „Men Only“ sind, hat sich bis heute gehalten. Die Behauptung, dass wir einen riesigen Wert auf das biologische Geschlecht legen, ist leider Blödsinn. In so gut wie jedem Verein sind Transmänner schon längst angekommen. Und alle nicht-männlichen Personen sind auch, zumindest in Frankfurt, sehr willkommen und dürfen zum Beispiel an offenen Clubabenden teilnehmen. Da ist uns die Pet-Play-Community schon einen Schritt voraus und ist viel toleranter, wenn es um das Geschlecht geht. Ob es sinnvoll ist, die Vereine zu öffnen und auch zum Beispiel Frauen Mitglieder werden zu lassen, ist für mich eine schwere Frage, bei der ich mir noch keine eindeutige Meinung gebildet habe.

Für Menschen, die das vielleicht noch nicht kennen: Was ist für Dich das Besondere an Deinem Fetisch und der Community? Viele Fetisch-Freunde berichten von einer besonderen Freiheit im Kopf. Was würdest Du sagen?

Gekommen zu meinen Fetischen bin ich ehrlicherweise durch meinen ersten Freund. Er hat Puppy-Play gemacht und ich fand diese Männer mit Hundemasken schon vorher sehr interessant und wollte es auch mal ausprobieren. Dadurch wurde eine Welle in mir ausgelöst, ich bin immer mehr in die Community reingegangen, habe immer mehr neue Leute kennengelernt und habe immer mehr dabei für mich entdeckt, mitunter auch mein Herrchen. Heute zähle ich das Puppy-Play, Leder, Military, MX Gear und Bondage zu meinen Fetischen, jedoch bin ich da nicht festgesetzt, da sich meine Fetische wie ich auch wandeln. Besonders das Puppy-Play ist für mich eine Flucht aus dem Alltag, es bedeutet für mich, die alltäglichen Probleme zu vergessen. Jedoch darf man nie ignorieren, sobald man die Maske wieder abnimmt, ist das menschliche Leben immer noch da. Das Bondage ist für mich eine Art Meditation, egal ob aktiv oder passiv. Ich kann dann super den Kopf ausschalten und mich einfach auf die Seile, die Knoten und die Gefühle konzentrieren. Die Community ist für mich wie eine Erweiterung meiner Familie geworden. So viel Anerkennung habe ich noch nie erfahren und obwohl es Probleme gibt, sind diese Gruppen ein Rückzugsort für mich und ich fühlte mich vom ersten Moment an willkommen und aufgehoben. Fetisch bedeutet für mich einfach Leidenschaft und Gefühle.

Die Fetisch-Welt entwickelt sich immer weiter, jedes Jahr kommen neue Fetische hinzu. Wo siehst Du die gesamte Fetisch-Community in den nächsten zehn Jahren? Welche Entwicklungen würdest Du dir wünschen?

Ein Umdenken innerhalb der Community wünsche ich mir. Mehr Offenheit und Akzeptanz für alle und weniger Starrsinn. Viele haben noch ein veraltetes Bild davon, was es bedeutet, Fetischist oder Kinkster zu sein. Wir zeigen uns nach außen oft sehr locker, jedoch sollten wir diese Lockerheit auch untereinander haben. Fetisch bedeutet nicht mehr nur Leder und Latex. Fetisch ist auch ABDL, Pet-Play, Sneaks & Soxx und noch vieles mehr. Ich wünsche mir auch, dass, wenn es intern „Probleme“ gibt, man nicht auf Gerüchte und Lästereien hört, sondern aktiv auf die Personen mit Respekt selbst zugeht und mit ihnen redet. Nach außen in die Gesellschaft wünsche ich mir und sehe ich auch eine komplette Normalisierung von Fetisch und Kink in allen Bereichen. Es darf keine Diskussionen mehr darüber geben, ob Puppys ihr Maske aufhaben dürfen oder Fetischkerle eine Leather Pride Flagge aufhängen dürfen.

Mancherorts gibt es Nachwuchsprobleme beim Fetisch, viele junge Schwule haben entweder Berührungsängste oder können vielleicht mit dem Fetisch nicht mehr viel anfangen. Hat sich der Fetisch in gewisser Weise überlebt und ist nur noch eine Sache für „ältere Männer“ geworden oder trübt der Eindruck? Und wie könnte man die Jugend vielleicht für den Fetisch wieder begeistern?

Das beste Beispiel, dass auch jüngere Leute offen ihren Fetisch ausleben, sind zum Teil wir Titelträger. Ich bin selbst 21 Jahre alt und unsere Generation von Schärpen-Trägern ist sehr jung. Der Altersdurchschnitt ist noch immer sehr hoch, jedoch merkt man immer mehr einen Umschwung, dass auch jüngere sich hierfür interessieren. Innerhalb des FLCs habe ich mich mit drei weiteren für einen U35 Stammtisch eingesetzt. Um einfach den Einstieg für junge, an Fetisch und Kink Interessierte zu erleichtern. Das erste Treffen in Frankfurt ist auch sofort eingeschlagen wie eine Bombe und es sind direkt zwanzig Interessierte gekommen, um sich auszutauschen. Um noch mehr, besonders junge Leute zu begeistern, ist es wichtig, in die Räume hineinzugehen, in denen auch junge Leute sind. Das heißt, mehr Sichtbarkeit in Bars, Clubs, etc. Dadurch schaffen wir es auch,die Stigmatisierung zu beenden.

Shkody, vielen Dank Dir für das Gespräch! (ms)

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