PUPPY GERMANY 2023

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“Velox” Bitte stelle uns zu Beginn deinen Mister-Titel vor – warum ist dieser wichtig für die Community? Welche besondere Botschaft und Aufgabe soll ein Mister mit deinem Titel in die Welt hinausschicken? Und was fasziniert Dich an deinem Fetisch? Wie bist Du selbst dazu gekommen?

Ich bin Velox und der Puppy Germany 2023. Der „Puppy Germany“ ist ein gender-freier Titel und kann von jeder Person erworben werden, ganz unabhängig von Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung. Bereits diese Punkte zeigen offen, wie wir als Pup- beziehungsweise Pet-Player mit diesem Titel umgehen dürfen und welche Vielfalt in unserer Community steckt. Wir sind eine bunte, offene und verspielte Gesellschaft, welche sich nicht nur bundesweit stark vernetzt hat in den letzten Jahren, sondern die auch lautstark für sich und ihre Werte einsteht. Als Puppy Germany ist es die Aufgabe, die eigene Community näher zusammenzubringen, für die Sichtbarkeit der Vielfalt zu sorgen, Themen der eigenen Gesellschaft zu fördern und Fokusthemen voranzutreiben oder selbst ins Leben zu rufen. Was mich an diesem Titel fasziniert? Ganz einfach: das große Wir-Gefühl, welches sich wie ein roter Faden durch unsere bunte Welt zieht. Egal, wo man auch ist, wer man ist, wie man aussieht oder welche Herausforderung man selbst hat, WIR als Pet-Player stehen jederzeit für uns ein, reichen uns die Pfoten und sorgen nicht nur innerhalb der eigenen Kreise für ein gutes Miteinander, sondern wollen als Minderheit innerhalb einer Szene auch dafür sorgen, dass sich unser Umfeld wohlfühlt. Ich selbst bin über das Furry Fandom durch einen guten Freund im Jahr 2016 zum ersten Mal mit Pup-Dogplay in Berührung gekommen und habe mich binnen von Sekunden darin verloren, den Kopf freibekommen und mich in diese Welt verliebt. Ein Leben ohne Pet-Play und diese wunderbare Community kann ich mir aktuell überhaupt nicht mehr vorstellen. Es macht einen Großteil meines Lebens aus.

Noch immer steht gerade auch der Fetisch in der Kritik, sowohl innerhalb wie aber auch außerhalb der Community. Immer wieder wurden auch in den letzten Jahren Stimmen laut, gewisse Fetische würden nicht in das Bild der Community passen oder würden der Community gerade bei politischen Forderungen eher schaden als nützen. Wie blickst Du auf diese Kritik?

In diesem Jahr war ich auf sehr vielen CSDs, bei denen ich selbst Teil der Orga, der eigenen Gruppe oder allgemein für Fetisch unterwegs war und dort auch an Infoständen für Aufklärung gesorgt habe. Die Stimmen gegen den Fetisch machen wir gefühlt oft selbst lauter, als diese eigentlich sind. Viele Menschen sind sehr neugierig, warum wir uns denn so geben und uns nicht der „Norm“ anpassen möchten. Persönlich bin ich aus keinem Gespräch rausgegangen, bei welchem die zu aufklärende Person weiterhin ein großes Unverständnis mit sich brachte. Wir tragen, was wir innerlich leben und lieben, nach außen, und wollen dafür nicht weniger Akzeptanz erfahren, wie der oberkörperfreie Bauarbeiter, der an der Imbissbude sein Feierabendbier und eine Currywurst genießt. Der muss sich auch nicht erklären, warum er am Ende des Tages mit dreckigen Klamotten und vielleicht nicht mehr so wohlriechend in der U-Bahn nach Hause fährt. Wir sind Teil dieser queeren und auch non-queeren Gesellschaft, tun niemanden weh und wollen uns in unserer Form ganz einfach ausleben.

Es gibt inzwischen immer mehr Mister-Wettbewerbe und viele Mister-Vertreter für die jeweiligen Fetische oder Regionen. Mancherorts entsteht der Eindruck, es gibt zu viele Mister oder Titel werden beliebig vergeben, ohne tieferen Sinn dahinter. Wie siehst Du das? Brauchst es so viele unterschiedliche Mister-Träger? Und falls ja, warum?

Jede Region hat ja so ihre Besonderheiten und vor allem Mentalität, daher ist es wichtig, dass die Vertreter*innen die eigene Region fördern und mit anderen bestmöglich vernetzen. Am Ende sind wir trotzdem eine große Familie, die gezielt für die Sichtbarkeit der Fetisch-Community auf die Straßen geht und lautstark für mehr Akzeptanz kämpft. Niemals könnte einer allein die Stimme einer Community spiegeln, daher ist Vielfalt auch innerhalb der eigenen Fetisch-Community unglaublich wichtig und dafür stehen wir zusammen und unterstützen uns.

Der Träger eines Mister-Titels soll seine Community, seine Szene, nach außen vertreten, beispielsweise bei Events in der Community. Besteht für Dich auch die Chance, dass Titelträger als eine Art von Brückenbauer auch die gesamte Gesellschaft insgesamt erreichen und vielleicht so auch mehr Verständnis außerhalb der Community erreichen können?

Als aktueller Repräsentant entstehen unglaubliche Möglichkeiten, die man gut nutzen kann, um der eigenen Community ein Gesicht zu geben und diese zusätzlich zu unterstützen. Man muss Chancen erkennen, auf die Leute zugehen und ein Gefühl dafür bekommen, wo man aufklären kann und auf Verbündete trifft. Man kann natürlich auch rumsitzen und hoffen, dass die Menschen von selbst auf jemanden zugehen, aber dann wird man wohl die besten Chancen nie ausschöpfen können, daher gilt es, auch eigenständig Gebrauch vom Titel zu machen und Dinge positiv voranzutreiben.

Die Fallzahlen bei der Hasskriminalität gegenüber der Gay-Community steigen in vielen Ländern weltweit wieder an, die Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft sinkt erstmals wieder (Ipsos Studie 2023), dabei wird auch die Kritik immer lauter, die Community zeige sich „übersexualisiert“ und befeuere damit sozusagen Hass und Gewalt gegenüber Homosexuellen. Geht eine „Gefahr“ von unserer Sexualität, unseren unterschiedlichen Fetischen aus? Wie siehst Du das?

Wir befinden uns allgemein in einer sehr schwierigen Zeit und die Gesellschaft sucht sich derzeit die mitunter Schwächsten raus, an denen sie ein Unbehagen auslassen kann. Wir haben lange gekämpft, bis wir hier standen und wir dürfen uns jetzt nicht unterkriegen lassen, ansonsten ist die ganze Arbeit umsonst gewesen. Es wird immer mal wieder abwärts gehen, dafür geht es danach auch wieder hoch, wenn nicht sogar höher, und deshalb müssen wir einfach machen. Wenn mir heute 70+jährige queere Personen erzählen, wie gut wir es doch haben und mir ihre Geschichten schildern, dann sind wir schon an einem sehr guten Punkt gekommen. Wenn ich dann in 40 Jahren einer 30-jährigen Person einen Eindruck aus der heutigen Zeit vermittle, dann möchte ich diesen Satz auch so sagen und meinen können. Alles braucht seine Zeit und ich bin guter Dinge, dass wir auch weiterhin diesen Mount Everest erklimmen werden, bis wir dann als queere- und Fetisch-Gesellschaft gemeinsam ganz oben unsere Flaggen hissen dürfen.

Lass uns bitte einmal kritisch auf die Fetisch-Community blicken: Wo siehst Du intern Probleme? Welche Aspekte müssten dringend verbessert werden? Wo läuft etwas falsch und wie lässt sich das ändern?

Der Zuwachs in unserer Community ist enorm und wird von vielen der jüngeren Mitglieder*innen als selbstverständlich angesehen. Diese Personen haben nicht mitbekommen oder sich noch nicht informiert, welchen steinigen Weg wir gegangen sind, oder auch immer noch gehen müssen, um die Akzeptanz zu finden, nach der wir alle streben. Aufklärung und Wertvermittlung beginnt bereits in der eigenen Community, dann kann man sich öffnen und seine Werte auch wohlwollend verbreiten. Am Ende ist egal, ob wir Leder, Gummi, Sportswear oder Pet-Play bevorzugen, denn wir sind alle Menschen, die tun, was sie lieben und wollen es auch zeigen. Akzeptanz fängt also in den eigenen Reihen an und wir dürfen ganz offen aufeinander zugehen und miteinander reden, denn am Ende sind wir alle „Mensch“.

Seit rund zwei Jahren gibt es auch vermehrt Streit in der Community, teilweise kommt es zu Spaltungsprozessen zwischen LGB und TQ+, gerade weil Schwule und Fetisch-Freunde großen Wert auf das biologische Geschlecht als Grundlage für ihre Sexualität und ihren Fetisch legen, TQ+ aber im Grunde die „Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit“ anstrebt. Wie erlebst Du diesen Streit und was sagst Du dazu?

In der Pup-Play Community gehen wir dieses Thema seit Jahren gezielt an, was ja bereits der Titel des „Puppy Germany“ aussagt. Wir unterscheiden weder in Geschlecht, noch in der Sexualität, und haben wirklich eine sehr bunte Mischung an Mitglieder*innen in unseren Reihen. Wir stehen offen für mehrgeschlechtliche Veranstaltungen und bewerben diese auch so, denn bei uns ist wirklich jeder Mensch willkommen. Nicht nur dass, wir fördern sogar die Minderheiten in der Community und erhalten wohl auch gerade deshalb so viel Zuspruch. Was bei uns zählt, ist das Wir-Gefühl, ein gutes Miteinander und niemals das gute Gefühl der eigenen Persönlichkeit zu verlieren.

Für Menschen, die das vielleicht noch nicht kennen: Was ist für Dich das Besondere an Deinem Fetisch und der Community? Viele Fetisch-Freunde berichten von einer besonderen Freiheit im Kopf. Was würdest Du sagen?

Auch, vielleicht insbesondere bei uns Pet-Playern ist diese besondere Freiheit oft gegeben. Wir versetzen uns in Rollen, die uns dem Alltag entfliehen lassen. Kopf aus und einfach das Pet sein, welches wir durch unser AlterEgo verkörpern möchten. Wir sind verspielt, nehmen uns selbst nicht zu ernst und wollen uns einfach in eine unbeschwerte Lage versetzen, die wir so im „normalen Leben“ nur noch selten erleben dürfen. Ich vergleiche es immer mit einer Zeit, in der man im Kindergarten oder in der Schule auf dem Pausenhof mit den Freund*innen Tiere nachgespielt hat und man nicht verurteilt wurde, weil man auf einmal geknurrt und gefaucht hat. Es erschien in dieser Zeit des Spielens völlig normal außerhalb des Unterrichts, und diese kindliche Normalität holen wir uns als Gemeinschaft, so oft wir es uns erlauben, zurück.

Die Fetisch-Welt entwickelt sich immer weiter, jedes Jahr kommen neue Fetische hinzu. Wo siehst Du die gesamte Fetisch-Community in den nächsten zehn Jahren? Welche Entwicklungen würdest Du dir wünschen?

Wir öffnen uns gerade und sehen ein, dass wir eine große Community sind, welche sich maximal in der äußeren Darstellung unterscheidet. Ich wünsche mir, dass wir unabhängig von biologischen Geschlechtern oder Fetischvorlieben viel näher zusammenrücken und ungefragt miteinander für das einstehen, was wir alle lieben. Ich denke, mein Wahlsong, der mich als Kandidaten durchweg begleitet hat und den ich täglich mindestens einmal höre, beschreibt so ziemlich alle meine Träume und Wünsche, die ich für die Community habe. “Where the adventure begins” von Tim Halperin.

Mancherorts gibt es Nachwuchsprobleme beim Fetisch, viele junge Schwule haben entweder Berührungsängste oder können vielleicht mit dem Fetisch nicht mehr viel anfangen. Hat sich der Fetisch in gewisser Weise überlebt und ist nur noch eine Sache für „ältere Männer“ geworden oder trübt der Eindruck? Und wie könnte man die Jugend vielleicht für den Fetisch wieder begeistern?

Der Eindruck scheint zu trügen, denn egal wo man hinschaut, findet man Menschen jeden Alters. Ich denke, unser Fetisch ist sehr einsteigerfreundlich, da es, wenn überhaupt, maximal eine Puppy-Hood verlangt, um Teil der Community zu sein. Viele entwickeln sich nach eigenen Möglichkeiten dann weiter, holen sich mehr und mehr Gear, entdecken, was sie wirklich bevorzugen und verlassen auch mal die Pet-Play Community, weil sie gerade Leder für sich entdeckt haben und dort auf mehr Gleichgesinnte treffen. Fetisch ist so vielfältig und darf unterschiedlich kombiniert werden. Fetisch ist grenzenlos, individuell und sollte niemals in nur eine Schublade gesteckt werden. Lasst uns auch dem Nachwuchs aufzeigen, wie grenzenlos, bunt und vielfältig unsere herzliche Welt ist.

Velox, vielen Dank Dir für das Gespräch! (ms)

Instagram @veloxthedox

Redaktionhttps://him-magazine.de
Wir verstehen uns als ein ehrliches, sexpositives Magazin, das nicht fremdbestimmt Themen vorgibt, sondern mit der Community zusammen Themen anspricht.

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