POWER BEAR: Erforschung der psychischen Gesundheit und der Bären-Kultur durch Comics

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Der Comic-Zeichner und Autor Lukasz Majcher aus Berlin hat sich mit seinem ersten Comic namens „Power Bear“ einen Kindheitstraum erfüllt – glücklicherweise verlieben sich immer mehr Fans in die Geschichten rund um den Berliner Bärenmann Max, der zum Superhelden mutiert und dabei selbst auch mit psychischen Dämonen kämpfen muss. In Lukasz´ Geschichten vermischen sich Realität und Fiktion auf wunderbare Weise – das trifft nicht nur mitten ins Herz, sondern ermöglicht auch, über Tabus in der Community rund um die mentale Gesundheit endlich einmal offener und ehrlich zu sprechen. Inzwischen ist vom Power Bear der dritte Teil erschienen und begleitend dazu weitere Werke. Kurzum – ein toller Kerl mit tollen Geschichten!

Lukasz, erst einmal vielen Dank dir fürs Interview. Erzähle uns doch zu Beginn einmal, wie Du auf die Idee zu Power Bear Comics gekommen bist, aktuell gibt es ja inzwischen drei davon.

Ich danke Dir für die Einladung zum Interview. Ich freue mich immer über die Gelegenheit, Leuten von meiner Comicserie zu erzählen. Power Bear entstand aus dem Bedürfnis heraus, der Welt etwas Neues und sehr Persönliches über die Bärenkultur zu erzählen. Es war auch mein Traum, mein eigenes Comicbuch zu veröffentlichen.

Um was geht es in deinen Comics? Und wird es weitere geben?

Power Bear erzählt die Geschichte eines Berliner Beamten namens Max, der in eine intergalaktische Intrige verwickelt wird. Während das Schicksal der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht, muss er nicht nur mit seiner neuen Rolle als Superheld klarkommen, sondern auch seinen alltäglichen Feind überwinden: die Depression. Als ich mit der Arbeit an diesem Comic begann, hatte ich nicht damit gerechnet, dass die Resonanz so positiv ausfallen würde. Mittlerweile habe ich viele treue Leser im In- und Ausland gewonnen. Dank ihnen bin ich motiviert, neue Geschichten mit Power Bear zu erschaffen. Und um Deine Frage zu beantworten: Ja, in Zukunft werden auf jeden Fall neue Ausgaben erscheinen. Allerdings dauert der ganze Prozess lange, da jede Ausgabe 60 oder mehr Seiten umfasst und ich meinen Verlag selbst leite. Zum Glück helfen mir mein Partner Stefan und wunderbare Freunde.

Warum war dir wichtig, solche ernsten Themen wie Depressionen konkret anzusprechen? Und wie hast Du dich an ein solches Thema künstlerisch herangewagt?

Ich glaube, es gibt noch viel zu sagen über die psychische Gesundheit queerer Menschen. Die Medien stellen uns sehr oft als ewig euphorische Figuren dar, was zum Teil großartig ist. Aber wir sollten nicht vergessen, dass viele von uns eine traumatische Vergangenheit haben und sehr oft Hilfe brauchen. Mein Standpunkt wurde auch dadurch bestimmt, dass ich mich schon immer für Psychologie interessiert habe. Ich wollte dieses Fach sogar studieren! Ich glaube, dass Comics das perfekte Medium sind, um die innerlichen Schwierigkeiten zu zeigen. Power Bear wird sicherlich nicht der letzte Comic sein, in dem ich mich mit diesem Thema befasse.

Die Comics sind alleine schon deswegen sehr persönlich, weil Du diese Themen aufgreifst – Du selbst kämpfst mit Panikattacken, dein Partner mit Depressionen. War bei euch irgendwann der Punkt da, zu sagen, ich will das doch vielleicht nicht in die Welt hinaustragen? Oder ist es gerade dann wichtig, darüber zu sprechen?

Mein Partner sah in diesem Comic die perfekte Gelegenheit, ein paar Dinge laut auszusprechen. Das Thema Depression sei seiner Meinung nach zu lange tabu gewesen und viele Menschen hätten mit ihrem Leben dafür bezahlt. Als ich über Panikattacken im Comic „Putzer“ gesprochen habe, habe ich auch daran gedacht, eine Art Katharsis zu erreichen.

Wie würdest Du den Umgang mit solchen psychischen Problemen in der Community beschreiben? Oberflächlich betrachtet scheint es, gerade in Berlin, allen immer gut zu gehen, die ewige Party. Mit der Realität hat das ja oftmals wenig zu tun.

Glücklicherweise ändert sich das langsam. Teilweise aufgrund der Pandemie, die vielen Menschen bewusst gemacht hat, wie wichtig es ist, sich um sich selbst zu kümmern und gegebenenfalls Hilfe zu suchen. Andererseits ist es völlig verständlich, dass Menschen nach außen hin als unproblematisch wahrgenommen werden wollen. Dies erhöht unsere Attraktivität in den Augen potenzieller Partner. Allerdings dürfen wir uns nicht nur auf die äußere Fassade der Menschen um uns herum konzentrieren. Die menschliche Psyche ist äußerst komplex und es ist nicht einfach, nach einem kurzen Kontakt genau einzuschätzen und zu verstehen, was andere Leute antreibt. Das hat mir auch mein Partner Stefan beigebracht, der immer versucht, die Motive der Anderen zu verstehen.

Du lebst seit 2015 in Berlin, kommst ursprünglich aus Polen – inwiefern spielen deine Erfahrungen sowohl aus deiner Zeit in Polen wie auch jetzt in Berlin in deine Geschichten mit hinein?

Na ja… die finstere rechte Partei der Normalität aus dem Power Bear-Comic ist nichts weiter als eine Analogie auf die Situation in Polen und anderswo. Als ich 2015 mein Land verließ, geschah das nicht aus Angst vor Homophobie. Damals war eine andere Regierung an der Macht und viele Menschen in meinem Umfeld akzeptierten meine sexuelle Orientierung voll und ganz. In Deutschland versuche ich immer den Leuten klarzumachen, dass es Idioten überall gibt, und die homophobe Regierung schürt nur die negativen Emotionen von Menschen mit einer engen Weltanschauung. Also die Darstellung dieser Probleme in meinem Comic war das Ergebnis schlichter Frustration.

Gerade in Polen mit der homophoben Regierung dort hätte es ja einen Power Bear in den letzten Jahren gebraucht – jetzt keimt gerade nach der Wahl neue Hoffnung auf. Wie blickst Du auf deine Heimat und welche Hoffnung hast du?

Ich hoffe, dass tolerante Menschen sichtbarer und  mehr gehört werden. Viel hängt davon ab, ob die Oppositionsparteien in den nächsten vier Jahren eine gemeinsame Sprache finden.

Wenn du Sex mit einem Bären hast, dann geht es nicht um Konkurrenz oder Wettbewerb. Es geht um Kuscheln, Zärtlichkeit und Spaß. Es darf auch ruhig mal gelacht werden.

Du hast dir mit der Comicreihe einen Kindheitstraum erfüllt – sind denn deiner Meinung nach schwule Bärenmänner auch heute noch so stark unterrepräsentiert im kreativen Sektor, also Buch oder Film zum Beispiel? Was würdest Du dir hier vielleicht wünschen?

Auch in dieser Hinsicht kann man einige kleine Änderungen erkennen, aber als Bärenliebhaber sind meine Erwartungen offensichtlich höher. Kürzlich fiel mir eine Sektwerbung auf, in der ein haariger, bärtiger Bär zu sehen war. Das ist die einzige Werbung in der letzten Zeit, die bei mir so positive Emotionen hervorruft. Deswegen ist Diversität so wichtig, damit sich nicht nur die breite Masse wiederfindet, sondern auch andere sich repräsentiert fühlen.

Der Power Bear Max im Comic ist deinem Partner nachempfunden – kommt es da nicht manchmal zu seltsamen oder lustigen Situationen bei euch zwei, wenn Du deinen Mann zum Comichelden stilisierst?

Die kurze Antwort lautet: Nein. Stefan steht dieser Art von Aktionen äußerst aufgeschlossen gegenüber. Außerdem sieht Power Bear etwas anders aus als er. Wenn Du den echten Stefan und mich in einem Comic sehen möchtest, lies unbedingt „Bear Stories“. Wir haben diesen Comic gemeinsam erstellt, und es sind viele Alltagssituationen aus unserem Leben darin enthalten. Der Comic ist auch super lustig. Ich konnte schon viele Leute dabei erwischen, wie sie beim Lesen kicherten. Das ist auch ein perfekter Comic für die diejenigen, die unsere Community besser kennenlernen möchten.

Machen wir sehr gerne! Lass uns mal auf die Bären-Community blicken, wie würdest Du die aktuelle Lage in Berlin aber vielleicht auch in Deutschland beschreiben? Alles okay oder gibt es auch hier Probleme – und wenn ja welche?

Meiner Meinung nach ist der Zustand der Community in Deutschland sehr gut. Der Beweis dafür ist die Zahl der Menschen, die bereit sind, mir bei der Werbung für meine Comics zu helfen. In letzter Zeit habe ich viele Angebote zur Zusammenarbeit bei verschiedenen Projekten und Veranstaltungen erhalten. Wenn man als unbekannter Künstler anfängt, ist es hilfreich, Teil einer Community zu sein. Das ist ein Vorteil, den Heteros vermutlich nicht haben.

Möchtest Du mit deinen Comics auch ein Statement zum Schlankheits- und Jugendwahn setzen, der nach wie vor in der Community stark ausgeprägt ist? Wie blickst du auf diese Entwicklung?

Besonders wichtig ist mir das Thema Alter und ich erwische mich sehr oft dabei, dass es für mich eine Herausforderung darstellt. Ich selbst stehe auf reife Bären, aber wenn ich eine solche Figur in einen Comic einführen muss, habe ich eine gewisse Angst davor, wie meine Leser darauf reagieren werden. Dann versuche ich daran zu denken, dass es mein Comic ist und ich absolute Freiheit habe. In der neuen Ausgabe von Power Bear ist die Figur eines Eisbären zu sehen, die mir sehr gut gefällt. Ich hoffe, dass meine Leser ihn auch interessant finden.

Bestimmt! Dein Power Bear Max versteht zu Beginn seine neuen Superkräfte gar nicht. Glaubst Du, vielen schwulen Männern geht es da vielleicht ähnlich, sprich, die Zweifel unterdrücken lange Zeit unsere eigentliche Kraft und Stärke? Und was können wir dagegen tun?

Ich denke, queere Leute und Superhelden haben lustigerweise viel gemeinsam. Verborgene Identität, Andersartigkeit vom Rest der Gesellschaft und einzigartige Merkmale. Kommt Dir das nicht bekannt vor? Schon als Kind wollte ich Superkräfte haben und mein Coming-Out erforderte viel Kraft von mir. Ich denke, jeder von uns hat ein bisschen Superman in sich.

Das stimmt! Deine Comics feiern bei aller Ernsthaftigkeit auch echte Bären-Männer. Warum sind bärige Kerle für dich so besonders? Was ist so toll an echten bärigen Kerlen?

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir Elemente wie Haare, Bart und große Hände nicht wichtig sind. Aber was ich bei Bären am meisten liebe, ist ihre Wärme, ihre Süße und manchmal sogar ein wenig ihre Unbeholfenheit. Und vor allem der freundliche Blick und die große Nase fallen mir sofort ins Auge.

Erlaube mir noch nachzufragen: Was macht Bärensex so toll?

Wenn du Sex mit einem Bären hast, dann geht es nicht um Konkurrenz oder Wettbewerb. Es geht um Kuscheln, Zärtlichkeit und Spaß. Es darf auch ruhig mal gelacht werden. Und wenn mal nicht alles nach Schema F läuft, ist es auch kein Problem.

Das klingt wirklich sehr schön! Du bist spätestens durch deine Comics sozusagen ja zu einem Bären-Fachmann geworden. Verrate uns also bitte, wie verführt man Bären am besten? Welcher Leckerei können Bären einfach nicht widerstehen?

Nicht ohne Grund sagt man, dass Liebe durch den Magen geht. Bei Bären ist es halt offensichtlich. Wobei, nicht jeder steht auf Süßigkeiten. Mein Partner liebt zwar Eis, aber auch mit Käse kann man ihn locken. Viele Bären sind jedoch ausgesprochene Foodies, und man kann sich mit ihnen sehr lange über Essen unterhalten.

Was wissen die meisten Menschen bis heute nicht über Bären-Männer, obwohl es vielleicht wichtig ist?

Sie sind nicht immer so stark, wie sie aussehen. Ich thematisiere das sehr intensiv in meiner kurzen Doku über Power Bear. Das Hauptthema des Filmes ist natürlich die psychische Gesundheit bei queeren Personen.

Wie sehen deine Pläne für die nächsten Jahre aus?

Auf jeden Fall habe ich vor, mehr Festivals zu besuchen, um noch mehr Bekanntheit zu erreichen. Außerdem arbeite ich an diversen neuen Comics. Mein Ziel ist, meine stilistische Bandbreite ein bisschen zu erweitern. Man kann also von mir viele Experimente erwarten. Ich habe auch erwähnt, dass ich neulich mit meinem Freund Nikolai eine Doku über Power Bear gedreht habe. Ich suche gerade nach Locations in Deutschland, wo ich den Film präsentieren könnte.

Wir drücken dir feste die Daumen und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg! (ms)

Mehr unter: https://majter.bigcartel.com

Redaktionhttps://him-magazine.de
Wir verstehen uns als ein ehrliches, sexpositives Magazin, das nicht fremdbestimmt Themen vorgibt, sondern mit der Community zusammen Themen anspricht.

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