Bitte stelle uns zu Beginn deinen Mister-Titel vor – warum ist dieser wichtig für die Community? Welche besondere Botschaft und Aufgabe soll ein Mister mit deinem Titel in die Welt hinausschicken? Und was fasziniert Dich an deinem Fetisch? Wie bist Du selbst dazu gekommen?
Ich bin seit November 2022 Mr. Fetish Hamburg. Der Mr. Fetish Hamburg wird von den Zuschauern bei der Erotikmesse in Hamburg-Schnelsen gewählt. Als Repräsentant der bunten Fetisch-Szene stehe ich für Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz und trage diese Werte mit Stolz nicht nur in die schwule Szene Hamburgs hinaus, sondern in ganz Deutschland und Europa.
Noch immer steht gerade auch der Fetisch in der Kritik, sowohl innerhalb wie aber auch außerhalb der Community. Immer wieder wurden auch in den letzten Jahren Stimmen laut, gewisse Fetische würden nicht in das Bild der Community passen oder würden der Community gerade bei politischen Forderungen eher schaden als nützen. Wie blickst Du auf diese Kritik?
Gerade als Mr. Fetish stehe ich für die Vielfalt in der Fetisch-Szene und in der Community. Für mich ist das Bild der Community bunt wie der Regenbogen und hat eben viele Farben. Nicht jeder kann mit jedem Fetisch etwas anfangen, aber Toleranz sollte nicht nur von der Gesellschaft gefordert, sondern auch in der Community gelebt werden.
Es gibt inzwischen immer mehr Mister-Wettbewerbe und viele Mister-Vertreter für die jeweiligen Fetische oder Regionen. Mancherorts entsteht der Eindruck, es gibt zu viele Mister oder Titel werden beliebig vergeben, ohne tieferen Sinn dahinter. Wie siehst Du das? Brauchst es so viele unterschiedliche Mister-Träger? Und falls ja, warum?
Präsenz und Vielfalt zeigen kann nie schaden, gerade in einer Zeit, wo das Klima in der Gesellschaft spürbar kälter wird.
Der Träger eines Mister-Titels soll seine Community, seine Szene, nach außen vertreten,
This Content Is Only For Subscribers
beispielsweise bei Events in der Community. Besteht für Dich auch die Chance, dass Titelträger als eine Art von Brückenbauer auch die gesamte Gesellschaft insgesamt erreichen und vielleicht so auch mehr Verständnis außerhalb der Community erreichen können?
Diese Chance besteht sicherlich. Als Mister baut man ein großes Netzwerk auf und lernt die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Aufgaben kennen. Und diese beschränken sich nicht nur auf die schwule oder die Fetisch-Szene.
Die Fallzahlen bei der Hasskriminalität gegenüber der Gay-Community steigen in vielen Ländern weltweit wieder an, die Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft sinkt erstmals wieder (Ipsos Studie 2023), dabei wird auch die Kritik immer lauter, die Community zeige sich „übersexualisiert“ und befeuere damit sozusagen Hass und Gewalt gegenüber Homosexuellen. Geht eine „Gefahr“ von unserer Sexualität, unseren unterschiedlichen Fetischen aus? Wie siehst Du das?
Ja, leider. Ich hatte ja bereits vom kälter werdenden Klima gesprochen. Sicher, Sex ist aus der Fetisch-Szene nicht wegzudenken. Aber es geht nicht nur um Sex. Es geht um den Zusammenhalt von Menschen mit gleichen Interessen und Vorlieben. Auch das ist Fetisch und ich sehe auch meine Aufgabe als Mister darin, dieses Bild nach außen zu tragen.
Lass uns bitte einmal kritisch auf die Fetisch-Community blicken: Wo siehst Du intern Probleme? Welche Aspekte müssten dringend verbessert werden? Wo läuft etwas falsch und wie lässt sich das ändern?
Toleranz und Akzeptanz ist nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Szene gefragt. Hier haben wir sicher auch innerhalb der Szene noch Bedarf. Aber auch hier sehe ich durch die Vernetzung und Kontakte der verschiedenen Mister in andere Regionen, Clubs oder bei Veranstaltungen gute Wege. Viele Vorbehalte oder Missverständnisse lassen sich beseitigen, wenn man miteinander redet.
Die Fetisch-Welt entwickelt sich immer weiter, jedes Jahr kommen neue Fetische hinzu. Wo siehst Du die gesamte Fetisch-Community in den nächsten zehn Jahren? Welche Entwicklungen würdest Du dir wünschen?
Es gibt immer wieder neue Trends, die dann fester Bestandteil der Fetisch-Szene werden. Ich mag diese Vielfalt und hoffe, dass die Szene weiter immer bunter und größer wird und wir offen aufeinander zu und miteinander umgehen.
Mancherorts gibt es Nachwuchsprobleme beim Fetisch, viele junge Schwule haben entweder Berührungsängste oder können vielleicht mit dem Fetisch nicht mehr viel anfangen. Hat sich der Fetisch in gewisser Weise überlebt und ist nur noch eine Sache für „ältere Männer“ geworden oder trübt der Eindruck? Und wie könnte man die Jugend vielleicht für den Fetisch wieder begeistern?
Jüngere entdecken vielleicht andere Fetische für sich als die Älteren in der Community. Vielleicht verschieben sich da die Anteile. Viele setzen Fetisch in der schwulen Szene mit Leder gleich. Und vielleicht ist Leder, auch aufgrund der Anschaffungskosten, heute kein Einsteiger-Fetisch mehr. Und die schnell wachsende Puppy-Szene spricht für sich. Und was die Berührungsängste oder regionale „Nachwuchsprobleme“ angeht: Ein weiterer Grund, warum viele verschiedene Mister die Kontakte knüpfen und das Eis brechen können.
Steven, vielen Dank Dir für das Gespräch! (ms)
MEHR VON STEVEN:
