Die Meisterwerke des Niederländers Joel Arnoldy
Joel Arnoldy ist 26 Jahre jung und einer der spannendsten schwulen Künstler der Gegenwart – seine Bilder sind hocherotisch, hochprofessionell und künstlerisch von hohem Wert. Arnoldy muss sich vor den großen Meistern seiner niederländischen Heimat nicht verstecken, so präzise und atemberaubend erobert er mit seinen Pinseln die Leinwand und schafft dabei Bilder, die lange in unserem Gedächtnis nachhallen. Der Liebe wegen zog der junge Künstler von Amsterdam nach Deutschland – und nahm für unser Exklusiv-Interview Platz auf der HIM-Redaktionscouch.
Joel, wie bist Du zur Malerei gekommen?
Als ich etwa zehn Jahre alt war, habe ich mit Aquarellfarben angefangen, weil es damals das war, was man am schnellsten greifen konnte. Zur gleichen Zeit hatte ich allerdings auch digitale Kunst ausprobiert; ich bekam mein erstes Zeichen-Tablet zeitgleich zu meinen Aquarellfarben. Die digitale Malerei hat mich aber nie wirklich überzeugt, während die traditionelle Malerei von Beginn an einen viel stärkeren Einfluss auf mich hatte, weil ich sie so schnell und einfach anwenden konnte. Aktuell arbeite ich daran, mein Kunstbuch in Druck zu geben, ich bin gerade dabei, es zusammenzustellen.
Deine zweite große Liebe nebst der Malerei ist dein Mann, weswegen Du nach Deutschland gezogen bist.
Ja, ich bin tatsächlich glücklich verheiratet. Mit einem Partner, der mich kreativ auf eine Weise erfüllt, die ich mir nie hätte vorstellen können. Alles, was ich male, hat eine Geschichte, die er und ich ausführlich besprochen haben. Er schreibt, während ich male!
Das klingt wirklich nach einer wunderbaren Symbiose! Deine Werke sind sehr detailliert und genau, von den jeweiligen Lichtstimmungen bis hin zu vielen besonderen Kleinigkeiten im Hintergrund. Wie lange dauert die Arbeit für dich an einem Bild und wie fängst Du überhaupt an?
Im Grunde läuft meine Routine folgendermaßen ab: Ich stehe morgens auf und fange fast sofort mit der Arbeit an. Meistens sehe ich die Arbeit gar nicht als Arbeit an, denn es macht mir so viel Freude, jeden Tag zu arbeiten! Während ich am Zeichenbrett sitze, höre ich gerne Musik oder schaue Netflix im Hintergrund. Zurzeit schaue ich mir gerade „Peaky Blinders“ an, eine weitere Serie, die sich hauptsächlich um männliche Machtfantasien dreht. Insgesamt dauert ein Gemälde zwischen einem Tag und einer Woche – von der Skizze auf meinem iPad bis zur Fertigstellung des Bildes auf Papier, dem Einscannen und dem letzten Schliff in Procreate. Und das alles in unglaublich bequemer Kleidung auf einem weichen Stuhl.
Wunderbar! Du thematisierst auch gerne das Liebesspiel zwischen einem jungen Boy und einem älteren Mann. Was ist das Besondere für dich an den Daddy-Boy-Fantasien, die auch uns bis heute nicht loslassen?
Ich mag den Aspekt, dass ein jüngerer Boy oftmals noch immer die volle Kontrolle über einen älteren Mann hat, während das Machtungleichgewicht den Anschein erwecken könnte, dass der dominante Daddy-Charakter aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit in dieser Situation die ganze Macht ausübt. In meiner persönlichen Beziehung zu meinem Mann genießen wir sehr die „gegebenen“ Rollen, in denen er eher ein Dom ist und ich eher ein Sub, wenn auch ein ziemlich frecher – aber ich mag es trotzdem, ihn von Zeit zu Zeit herumzukommandieren.
Was können die Boys von den älteren Daddys lernen? Und was die Daddys von den Boys in deinen Bildern?
Die Beziehungen zwischen den jüngeren und den älteren Männern in meinen Bildern sind von Werk zu Werk – oder von Universum zu Universum – sehr unterschiedlich. In einigen müssen die älteren Männer lernen, nicht so verklemmt zu sein und ihre verinnerlichte Homophobie loszulassen; in anderen wiederum lernen die Jungen, sich tiefer mit ihrer Sexualität auseinanderzusetzen und wie sie sich ausdrücken können – beides sind sozusagen die Entwicklungswege vieler schwuler Männer.
In anderen Bildern reist Du in die Antike und wir sehen Männer in Rüstungen, mit Helmen oder Schwertern, die leidenschaftlich miteinander Sex haben. Hat deine Vorliebe für diese Epoche etwas mit jener besonderen Form von Männlichkeit zu tun, die diesen Männern innewohnt?
Ja, sehr sogar! Was mich interessiert, sind die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Männlichkeit. So galt es im alten Rom zwar immer noch als weiblich, wenn ein Mann einen Ohrring oder Make-up trug, aber sie schmückten sich trotzdem in einem gewissen Umfang mit Schmuck, trugen bunte Gewänder und hatten Romanzen mit anderen Männern, ein Aspekt, der von vielen Historikern lange Zeit verdrängt wurde. Ich persönlich finde Uniformen und Rüstungen sehr erotisch. Sie vermitteln das Gefühl von Selbstvertrauen und Überlegenheit. Dazu kommt das Vergnügen, wenn dieses Selbstvertrauen zum Schweigen gebracht wird, wenn diese „Überlegenheit“ gebrochen wird, um sich einem anderen Mann zu beugen.
Deine Männer sind zumeist kräftig und gerne auch einmal behaart, die Boys eher dünn, blond und devot. Was macht einen Mann für dich besonders erotisch? Und wie muss ein Boy sein, damit Du ihn besonders anziehend findest?
Ich denke, es ist am besten, das auf meine Beziehung zu meinem Mann zu beziehen. Er ist ein haariger Kerl, der weiß, was er will, und ich sehe mich gern in einer sanfteren Rolle. Was meine Zeichnungen angeht, so ist das eine sichere Möglichkeit, Fantasien mit Figuren auszuleben, zu denen ich im wirklichen Leben keine Bindung habe, in die ich mich aber immer wieder gerne hineinversetzen kann.
Das Spiel mit der Dominanz spiegelt sich in vielen deiner Werke wider, gerne auch in Verbundenheit mit einem Hauch des Verbotenen, beispielsweise angedeutet durch ein Kreuz an der Wand. Worin liegt diese besondere Faszination dabei?
Es liegt daran, dass Homosexualität von der Religion, insbesondere vom Katholizismus, SO sehr verachtet wird. Ein Teil des schwulen Charakters wird versteckt oder muss aus Angst vor Vergeltung versteckt werden, während gleichzeitig die Heuchelei vieler Kirchenmitglieder, die diesen sogenannten Sünden frönen, himmelschreiend lächerlich ist, besonders dann, wenn sie bei koksgetränkten Schwulenorgien erwischt werden. Außerdem fasziniert es mich schon seit langem, eine verdorbene Seite eines ansonsten „reinen“ Charakters zu zeigen, wie zum Beispiel eben eine Nonne oder einen Priester, die schmutzige Dinge machen.
Schmutzig ist das passende Stichwort – immer wieder sehen wir auch Männer, die in deinen Werken dreckigen, schmutzigen Sex miteinander haben. Risse in den Wänden, herausgebrochene Bad-Kacheln, brennende Zigarettenstummel in der Hand. Muss Sex auch bildlich gesehen „schmutzig“ sein, um richtig gut sein zu können?
Nein, ganz und gar nicht. Aber ich persönlich finde „sauberen“ Sex in der Kunst nicht attraktiv. Ich möchte, dass meine Bilder den Schmutz und den Dreck des echten Lebens widerspiegeln.
Einige Kerle haben auch Sex auf dem Rücksitz eines Autos. Was fasziniert dich an solchen Momenten? Auch viele schwule Männer lieben bis heute ja Outdoor-Sex und ähnliche Abenteuer.
Was mich fasziniert, ist die Angst vor Entdeckung und das Tabu der freien Natur. Die (künstlerische) Enge des Raums ist ein unglaublich interessantes Hindernis, um das man herum arbeiten kann – sowohl perspektivisch als auch anatomisch.
Auch der Fetisch findet Einzug in dein Werk, beispielsweise bei einem Mann mit Hundemaske, der Sex mit einem blond gelockten Jüngling hat. Ist Fetisch für dich auch eine Möglichkeit, der Lust nach Freiheit und Grenzenlosigkeit Ausdruck zu verleihen?
Für mich ist es in diesem Fall nicht so tiefgreifend. Ich besitze zwar einige Klamotten und Spielzeuge, aber bei meiner Kunst geht es hauptsächlich um Ästhetik. Denn Leder ist schön und Hundemasken sind heiß!!
Du schaffst es sehr gut, den Moment der größten Ekstase einzufangen. Wann ist für dich der Sex zwischen zwei Männern besonders gut, sodass Du es in deinen Bildern verewigen kannst?
Normalerweise bedeutet der Orgasmus, den ich mit meinem dominanten Ehemann erlebt habe und erlebe, das Loslassen aller Hemmungen. Es ist ein ungeschütztes Gefühl in seiner rohesten Form, und das ist es, was mir am meisten Freude bereitet – sowohl im echten Leben als auch in der Kunst.
Entspringen all die Männer und Jungs in deinen Bildern deiner Fantasie oder gibt es reale Vorbilder?
Sie alle entspringen meiner eigenen Fantasie und der meines Mannes, aber ihre Rollen und Szenarien können von den Medien beeinflusst werden, die ich im Moment des Kunstschaffens konsumiere – Serien, Filme, Bücher.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Hoffentlich kommt mein Erotik-Kunstbuch bald heraus. Ich habe ungefähr 200 Bilder, ich muss mich nur noch hinsetzen und es tun; ich bin da manchmal ein kleiner Zauderer. Ich freue mich auch darauf, meine Arbeiten nächstes Jahr auf einem Kongress auszustellen.
Mit deinen Bildern blickst Du auch ein wenig in die Seele und in das Innerste von schwulen Männern. Was würdest Du Ihnen gerne sagen? Was würdest Du ihnen auf ihrem Lebensweg vielleicht mitgeben wollen?
Ich möchte sagen, dass ich das große Glück habe, von meiner Arbeit leben zu können, die darin besteht, schwule Kunst zu schaffen – und dass es so wichtig ist, sich kreativ auszudrücken! Wenn ihr auch nur einmal darüber nachgedacht habt, über ein Thema zu zeichnen oder zu schreiben oder zu singen, das euch am Herzen liegt, dann tut es! Du wirst es nicht bereuen, und in fünf, zehn oder zwanzig Jahren kannst Du auf die Person zurückblicken, die Du damals warst, und feststellen, wie sehr Du gewachsen bist. Und eines noch – lebe ohne Schuldgefühle in deiner Kunst. Es sind Fantasien, die mit Pinsel und Stift harmlos ausgedrückt werden.
Joel, vielen Dank dir für das spannende Gespräch! (ms)
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