Die Faszination des Fesselns

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Im Kaninchenbau der Bondage-Welt

Eng verschnürt wie ein kleines Paket liegt er da. Seine Hände hinter dem Rücken, Seile durch den Mund und mit schon fast flehenden Augen guckt er einen an. Er fragt sich, was wohl mit ihm als nächstes passiert? Die Entscheidung darüber fällt nicht er… Fesseln, Bondage, Shibari. Das kinky Spiel mit den Seilen hat viele Namen. Und doch steht im Mittelpunkt immer das Miteinander zwischen zwei Menschen. Die Hingabe des einen Partners und das Halten durch den anderen. Die Seile sind dabei wie ein Medium, mittels welches wir unseren Partner fixieren, aber auch Botschaften und Signale senden, mit dem wir unserem Willen Ausdruck verleihen und mit dem wir auf die Impulse unseres Partners reagieren. Unter dem Rigger versteht man dabei den aktiv Fesselnden. Den passiven Gegenpart nennt man meistens Model oder Bunny.

Wieso fesseln wir?

Wehrlosigkeit, keine Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit mehr zu haben, Hingabe, Geborgenheit, Halt geben und erhalten, Nähe, Unterwürfigkeit, Demütigung, Kontrollverlust, Schmerzen, sexuelle Stimulation, Ästhetik, wilder Sex, kinky Spiele oder einfach das Gefesselt sein genießen. Gründe gibt es viele, wieso Menschen fesseln und fesseln lassen. Bei einigen ist es mehr ein funktionales Element, welches das übrige Spiel einleitet und den Partner in die Wehrlosigkeit oder eine bestimmte Position bringt. Bei anderen ist Fesseln das Kernelement und es bedarf nichts weiter drumherum.

Wichtig vorab!

Heute wollen wir uns vor allem mit den kleinen, faszinierenden Details des Fesselns beschäftigen, die aus einem technischen und sicheren Prozedere eine spannende und intime Session machen. Wir legen hierbei keinen klaren Fokus auf einen einzigen spezifischen Stil, setzen aber gleichwohl eine Basis des sicheren Fesselns voraus. Einvernehmlichkeit, Connection, Vertrauen, Konsens, Vor- und Nachgespräche bleiben heute unerwähnt, sind aber sehr wohl ein Teil einer BDSM-Session. Wichtig dabei: Seil-Bondage birgt Risiken und Gefahren mit sich und kann zu ernsthaften Schäden führen. Bei unerfahrenen Riggern oder Bunnys, die hier kein Grundlagenwissen haben, ist das Risiko entsprechend höher. Die hier beschriebenen Dinge sind daher ohne ein Basis-Wissen nicht zur Nachahmung gedacht. Und jetzt, los geht´s! 

Fesselarten und Stile

Je nachdem mit welchem Ziel und Zweck man fesselt, gibt es grundlegende Unterschiede beim Fesseln. Will man hiermit eher haltende und wohlwollende Gefühle hervorrufen, macht man dies anders, als wenn man Schmerzen verursachen oder Dominanz mit den Seilen ausüben will oder den Partner in einer bestimmten Position halten und ihn in dieser unterstützen will; gleiches gilt für ein Fotoshooting mit schönen Fesselungen und Posen oder eine Bondage-Session, die vor allem für Sex genutzt werden soll… In Japan, wo Bondage (dort nennt man es Shibari) eine wesentlich längere Tradition hat, gibt es unterschiedliche Namen für die verschiedenen Fesselanwendungen, wie Kinbaku, Semenawa oder Hojojutsu. Hier haben sich auch unterschiedliche Fesselstile nach unterschiedlichen Lehrern herausgebildet und wieder eigene Namen bekommen, wobei hier eine ganze Philosophie dahinter zusätzlich aufgebaut worden ist.

Sofern man sich nun nicht einer einzigen Lehre voll verschreibt, kann man aber sehr flexibel arbeiten und sich sein eigenes Bondage-Konzept zusammensuchen. Mitnehmen aus diesem Gedanken sollten wir aber, dass Fesseln je nach Anwendungsfall und Zielsetzung sehr unterschiedlich sein kann, dass viele Fesselungen aufeinander aufbauen und dass Bondage nicht nur einfaches Verknoten ist, sondern dass hier auch mehr dahinterstecken kann. Im Laufe der Zeit wird jeder Fessler seinen eigenen Stil und Ansatz finden und diesen weiterentwickeln. Dies hält euch aber nicht davon ab, euch situativ anzupassen und, wenn ihr mehrere Stile draufhabt, jedem Partner ein auf seine Weise passendes und spannendes Erlebnis zu liefern.

Der Einfluss des Materials

Die Wahl des Materials ergibt sich häufig aus dem jeweiligen Fesselziel. Ohne zu sehr heute ins Detail gehen zu wollen ist klar, dass die Materialien unterschiedliche Eigenschaften haben, sodass diese auf die jeweiligen Fesseltechniken abgestimmt werden sollten. Ein Beispiel: Baumwolle wird sehr gerne bei Fesselungen von Rubber Bunnys verwendet, da man Baumwolle relativ leicht waschen kann und somit das Silikonöl wieder runterbekommt. Weiße Baumwolle ergibt außerdem einen schönen Kontrast zu häufig schwarzem Gummi. Baumwolle hat aber auch eine wesentlich höhere Elastizität als Hanf und Knoten, sodass diese hierdurch auch wesentlich schwerer zu lösen ist. Daher werden hier bei Baumwolle häufig Webe-Techniken statt Knoten-Techniken verwendet, um hinterher die Seile wieder leichter zu lösen.

Den Aufbau von Bondage verstehen

Rein technisch lässt sich Bondage auf die folgenden Aspekte runterbrechen: Das einfachste Element ist ein Knoten. Dieser kann verschiedene Eigenschaften haben und daher ist es sinnvoll, den richtigen Knoten zur richtigen Zeit zu verwenden. Dieser wird mit Wickelungen zu einer Fesselung verbunden. Mehrere Teilfesselungen können dann zu einer Gesamt-Fesselung verbunden werden, welche den Partner in eine bestimmte Position bringt. Diese “Figuren” können mit verschiedenen Fesselungen und Techniken erreicht werden. Bis zu einem gewissen Grad sind Knoten, Wickelungen und Fesselungen dabei austauschbar. Es gibt aber auch Kombinationen, die sogar (un)erwünschte Zusatzeffekte oder Schäden verursachen können. So kann man Druck, Schmerz, Atemreduktion, Unsicherheit oder ähnliches erzeugen; je nachdem, was man erreichen möchte, wählt man daher die jeweils passende Kombination. Dies erfordert allerdings sehr gute Kenntnisse und Fertigkeiten.

Rope-Handling und Spannung

Wenn man Fesseltechniken lernt, geht es hierbei nicht nur um Knoten, Wicklungen und Positionen, sondern auch um die Technik, die dahintersteht. Das Rope-Handling beschreibt dabei, wie man die Knoten und Wicklungen ausführt, wie Knoten gezielt und präzise gemacht werden, wie man selbst im Dunkeln die Knoten sicher hinbekommt, wie man das Seil anlegt und es straffzieht und wo man es vielleicht etwas lockerer lassen sollte. Zum Rope-Handling gehört zudem auch, wie man die Seile aufwickelt, sodass man sie schnell wieder griff- und einsatzbereit hat.

Geschwindigkeit und Rhythmik

Wer fesselt, ist nicht im Zeitdruck. Bereits das Einwickeln an sich kann das Ergebnis sein, je nachdem, wie man es für sich eben definiert. Wenn man dies für sich so festlegt, ist bereits das Fesseln das Ziel und wenn man dies mit viel Ruhe und Gelassenheit macht, hat man hier bereits ein sehr intensives und intimes Spiel, wenn man jede Wicklung, Lake um Lake genießt. Andere bevorzugen ein schnelles, fast schon überwältigendes Fesseln, wo der Partner gar nicht weiß, wie ihm geschieht und er quasi von jetzt auf gleich in einer wehrlosen Situation ist und sich nur noch hingeben und genießen kann. Jeder muss hier seinen Stil finden, zudem kann es sehr spannend sein, mit der Geschwindigkeit zu experimentieren, sodass sich die gleiche Fesselung plötzlich ganz anders anfühlen kann. Profi-Tipp: Wenn ihr die Geschwindigkeit bestimmt, achtet hierbei auch mal auf die Atmung eures Partners oder den Herzschlag und versucht euch mit diesem zu synchronisieren. Passt auch mal eure eigene Atmung daran an. Hilfreich kann auch passende Musik sein, wobei sich beide Partner auf den Rhythmus und den Beat einlassen und sich so gegenseitig leichter synchronisieren können.  

Distanz und Nähe

Nähe und Distanz sind ebenfalls spannende Elemente. Dies passiert nicht nur durch die führende Hand, sondern mit dem ganzen Körper, mit Blicken oder dem Atem, zum Beispiel auch durch die Hand, die beim Wickeln über den Körper gleitet und diesen sanft berührt – von intim und unanständig bis hin zu streichelnd und liebkosend ist vieles möglich? Das funktioniert auch mit anderen Körperteilen sehr gut, beispielsweise Hüfte an Hüfte oder Wange an Wange. Auch durch einen intensiven dominanten Blick in die Augen kann das Spiel von Distanz und Nähe befeuert werden. Wie nah ihr dem Partner kommt, ist natürlich eine Geschmacksfrage und sollte auch im Vorfeld abgestimmt werden. Die unterschiedlichen Ansätze haben allesamt ihre Berechtigung, auch wenn ihr ein rein asexuelles Bondage praktiziert. Nähe kann auch durch das Halten und das Auffangen einer anderen Person erreicht werden, es spiegelt Vertrauen und Connection wider. Aber auch die Distanz hat ihre Reize, beispielsweise das Alleinsein, die persönliche Herausforderung in der Situation oder ein ruhiges in sich gehen und abschalten. Auch hier ist die Kombination wohl wieder die spannendste Variante. Beim Partner das Verlangen nach Nähe aufzubauen, ihm diese zu geben und dann wieder zu entziehen, nur um ihn spüren zu lassen, dass er sie wirklich gerade braucht und er von einem abhängig ist. Wie ihr es genau gestaltet, bleibt natürlich euch überlassen, aber eine Story mit den Gegenpolen zu bilden, ist zumeist eine spannende Möglichkeit.

Die Führung des Partners

Den Partner in eine bestimmte Position zu führen, ist ein weiteres wesentliches Element. Dies kann man natürlich verbal machen („Knie nieder“) oder ihn physisch führen, indem man ihn mit der Hand nach unten drückt. Geübte Paare sind hier bereits gut eingespielt und verstehen sich untereinander bereits über kleine Berührungen. Ein kurzer Handstreich und der Partner dreht sich, ein kleiner Stupser und das Bunny bewegt sich in die entsprechende Richtung. Solche Impulse können aber natürlich auch über das Seil direkt übertragen werden. Wer möchte, kann dies auch noch kraftvoller gestalten. Schwächere Partner nutzen hierbei Pain Points am Körper. Das Spiel kann dann wie eine Art Raufen oder Kampf sein und je nachdem, auf was man sich einigt, kann der Partner sich hier auch zur Wehr setzen. Die Art und Weise, wie man seinen Partner führt, ist ein wesentlicher Teil des Spiels und kann ihn bereits frühzeitig in den richtigen Headspace bringen.

Die kleinen Details und Herausforderungen

Neben den großen Fesselungen geht es häufig um kleine Details, wie die Integration von Fingern, Kopf oder Zehen. Aber auch das Integrieren eines Seils um den Hoden, der dann zum Beispiel über eine Rolle mit dem erhobenen Fuß verbunden ist, kann eine erhebliche Wirkung haben. Egal, ob man nun eher eine lange und komfortable Fesselung möchte oder ob man dem Partner den Nervenkitzel von kleinen Challenges bieten möchte, mit diesen Details kann man hier viel erreichen und es dem Partner besonders spannend gestalten.

Das Ausnutzen von Flexibilität und Entspannung

Wenn man schließlich die Fesselung ausführt, so ist es wichtig, auch die Körperflexibilität und die Gelenkigkeit des jeweiligen Partners zu beachten. Dies gilt nicht nur bei Leuten, die hier vielleicht eingeschränkt sind, sondern vor allem auch bei Menschen, die hier besonders flexibel und gedehnt sind. Denn teilweise reichen bereits kleine Änderungen in der Körperhaltung aus, um ein vorher straffes Bondage wieder abzuschwächen. Gerade bei muskulöseren Partnern ist es so, dass die Spannung von den Seilen erlischt und sie fast schon runterfallen, sobald sie die Muskeln nicht mehr anspannen. Mit der Zeit, wenn sich unser Partner wohlfühlt und hingibt, entspannen sich die Muskeln ganz automatisch und langsam, sodass man dann durch Querverbindungen und Gegenzug die Seile erneut straffen kann, selbst wenn die ursprünglichen Seile nicht mehr direkt enger zu machen sind.

Übung macht den Meister

Die hier aufgeführten Aspekte sind lediglich ein kleiner Einblick in die spannende Welt des Fesselns. Es gibt so viel mehr zu entdecken! Wer sie umsetzen will, der sollte sich mit den Grundlagen des Bondage vertraut machen und die wesentlichen Elemente schrittweise verinnerlichen. Hierzu bedarf es natürlich viel Übung und auch immer wieder einer erneuten Anwendung in neuen Situationen und Varianten. Das sogenannte Muskelgedächtnis ist hierbei von entscheidender Bedeutung und wir kommen nicht herum, die Knoten und Wicklungen so gut zu lernen, dass wir sie blind können. Aber nicht nur die Knoten sind essentiell. Auch das Wissen und der Austausch, wie ihr die oben genannten Elemente integriert, sind wichtig. Dabei muss jeder für sich  das finden, was zu seinem eigenen Stil am besten passt. (dm)

Autor Dan A. Monoceros ist Rigger und Coach aus Berlin – vor knapp 20 Jahren hat er mit dem Fesseln begonnen und führt heute regelmäßig interessierte Kurs-Teilnehmer in die Welt des Fesselns ein. Seine Spannweite reicht von den ersten Basics bis hin zu komplexen Bewegungen in der Luft. Er verfolgt dabei ein ganzheitliches Konzept, so bindet er neben der physischen Herangehensweise auch emotionale, intime und sexuelle Aspekte mit ein. Mehr unter @DanApusMonoceros.

Reza Monfared, Instagram @modelling_berlin

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